Eine Obstmanufaktur im Garten

Für viele ist die Streuobstwiese von Marcus Nickel kein alltäglicher Anblick. Das liegt weniger an den Obstbäumen oder Bienenkästen, als an der angrenzenden Mauer.


Es ist nicht irgendeine Mauer, sondern die ehemalig innerdeutsche Grenzmauer.Jetzt wachsen unmittelbar neben dem Grenzdenkmal Hötensleben Birnen, Äpfel, Quitten, Pflaumen und Brombeeren.
In wenigen Wochen sind die schon alle weiterverarbeitet. Zu süßem Apfelsaft, Sirup und fruchtigen Obstweinen.
Das passiert in der Auleber Obstmanufaktur, nur einige hundert Meter entfernt. Im Hof des Elternhauses stehen die Obstkisten, randvoll mit gelben Quitten und roten Äpfeln gefüllt, bereit zur Weiterverarbeitung. Was sofort auffällt, ist der kleine Hügel hinter dem Haus.

Die schöne Nebenwirkung der Hanglage: Ein Weinberg mitten im Garten. Um die Drahtrahmen ranken sich die grünen Reben. Die Trauben sind schon geerntet und es dauert nicht mehr lange, dann färben sich die Blätter rot. Zwischen den Pflanzen schlängeln sich einige Stufen nach oben. Im hinteren Teil des Gartens ist die Aufzucht der noch jungen Obstbäume.
So selbstverständlich wie der Weinberg im Garten platziert ist, die Nickels sind keine typische Winzerfamilie. Die Idee der Manufaktur ist über viele Jahre gereift.

Ein Jahr hat Marcus in Kanada gelebt und dort den Weinbau kennen und lieben gelernt. Diese Erfahrung hat ihn Neugierig gemacht. Zurück in Sachsen-Anhalt war ihm klar, dass er mehr über Wein lernen möchte. Gleichzeitig wollte er aber seine andere Leidenschaft, das
Kochen, nicht aufgegeben.
In der Nähe von Kärnten in Österreich konnte er beides vereinen. Dort hat er eine Weiterbildung zum Winzer gemacht und nebenher weiter gekocht.
Dieses ganze Wissen konnte er aber nicht ungenutzt unter den Tisch fallen lassen.
Er wurde kreativ, legte den Weinberg im Garten an und pachtete 3,7 Hektar Wiesen mit alten Obstbäumen. Damit fing die Arbeit erst an. Seine Familie holte er mit ins Boot. Das war 2013.

Mittlerweile haben sie in ihrem Lager eine erstaunliche Produktpalette. Neben den Lieblingen, dem Apfel- und Birnensaft gibt es auch ungewöhnlichere Resultate direkt aus der Obstpresse: Gurken und Wildbrombeersirup, Holunderblüten- und Vogelbeerlikör.
Und natürlich den Wein.

Auch hier hat Marcus sich etwas Besonderes einfallen lassen und einen Weg gefunden das Obst einzuschleusen. Neben Apfelport gibt es goldgelben Streuobstwiesen Cuveé und Apfelsecco.
0,03 Hektar ist der Weinberg nur groß. Trotzdem wurde Marcus dieses Jahr für seine Mühe belohnt. Er wurde offiziell in der EU-Weinbaukartei eingetragen und kann seinen Wein jetzt im großen Stil als „deutschen Wein“ anbieten.
Die Familie arbeitet bei ihren Produkten nicht nur gänzlich ohne Zusatz- an Konservierungsstoffen, auch der Schutz der Natur um sie herum liegt ihnen sehr am Herzen. Auf ihren Streuobstwiesen werden Hauptsächlich alte Obstsorten aus der Region
angepflanzt.
Ein wichtiger Beitrag für den Erhalt der Artenvielfalt. Befruchtet werden die Bäume von Bienen befreundeter Imker. Marcus siedelt aber auch gerade eigene Mauerbienen an.

Einmal in der Woche, immer freitags, zwischen 12 und 18 Uhr öffnen sie ihr kleines Hoflager für den Verkauf. Auch einige Partner der Region bieten die Produkte der Obstmanufaktur in ihren Läden an. Mehrmals im Jahr fährt die Familie aber auch auf die Märkte in der Umgebung, verkauft und berät vor Ort.
Aber der nächste Schritt ist schon geplant. An Ostern 2021 eröffnen sie in Hötensleben einen Hofladen, in dem sie die Liköre, Säfte, Weine und Sirup verkaufen.
Die Idee dahinter: Dort kann Marcus sich viel Zeit für seine Gäste nehmen, Ihnen die Produkte erklären und verkosten lassen. Das dann natürlich auch in größerem Rahmen.
Nebenher wird er in seiner Küche, dazu passend, kleine Köstlichkeiten zaubern.